30. September 2021

Bond. Was nun?

Michael Eckert
Kolumnist

Mit 12 oder 13 erzählte mir ein Freund von einem Kinofilm mit einem britischen Geheimagenten. Das Aufregendste daran: eine nackte, komplett mit Gold überzogene Frau, die tot auf dem Bett liegt. Absurde Vorstellung! Das Bild dazu sah ich erst viel später, ebenso ein Szenenfoto mit dem Agenten persönlich. James Bond. Mit schwarzen Haaren. Komisch. Irgendwie hatte ich mir den blond vorgestellt. Damals wusste ich weder, dass Sean Connery eine Perücke trug, noch dass Bond ursprünglich eine Figur aus einer Serie von Spionageromanen war. Auf der Suche nach dem Namen für seinen Helden hatte der Autor Ian Fleming ausgerechnet den Namen eines amerikanischen Vogelkundlers gewählt, den er bewunderte. Eigentlich desillusionierend, der Ursprung dieses Kino-Mythos: ein Superheld mit falschen Haaren, benannt nach einem Experten für karibische Vogelarten.

James Bond - Goldfinger

Enttäuschend, aber natürlich nur so lange, bis man die Kunst der Inszenierung als das Wesen von Kino versteht. Nichts ist wirklich, alles wird ins Bild gesetzt. Die Wahrheit entsteht auf der Leinwand. Die Wahrheit eines Bond-Films ist, dass er die Lust an purer Fantasie befriedigt. Egal ob eine vergoldete Leiche oder halsbrecherische Verfolgungsjagden jenseits des physisch Möglichen – reale geheimdienstliche Aktivitäten bieten keinen vergleichbaren Schauwert. Die Wirklichkeit ist grau. Heißt: grausamer.

Bond ist Fantasy, und das nun mittlerweile in 25 Kinofilmen. 25 Filme (plus die inoffiziellen), in denen James Bond die Welt retten muss. Ein mühsamer Job, der früher oder später bei jedem Protagonisten Verschleißerscheinungen hinterlässt. Nun hat auch Daniel Craig, 007-Darsteller Nummer sechs, angekündigt, sich endgültig aus dem Geheimdienst Ihrer Majestät zurückzuziehen.

Alle sechs Bond Darsteller

In „Keine Zeit zu sterben“ ist er schon der Ex-Agent, der für eine letzte Mission aus dem Ruhestand geholt wird. Macht er super. Aber die Lücke, die er künftig hinterlässt, wird umso größer. Nach den Bonds der letzten Jahrzehnte, die irgendwann etwas zu glatt oder unverbindlich ironisch herüberkamen, war Daniel Craig einer, der wieder an die trockene Virilität eines Sean Connery anknüpfte. Aber auch der Craig-Bond (tatsächlich blond!) geriet irgendwann an Grenzen, stellte in seinen letzten Filmen die Sinnfrage und war geplagt von Selbstzweifeln. Klar: ein Abbild der modernen Gesellschaft und der Krise des Männlichen. Und was kommt nun? Ein neuer Typ Mann – oder gar ein weiblicher 007, wie es in „Keine Zeit zu sterben“ angedeutet wird? Ich fänd’s schade.

Daniel Craig und Ana de Armas im neusten James Bond - Keine Zeit zum sterben

Politische Korrektheit ist in einem James-Bond-Film genauso fehl am Platz wie in einem Barbarella-Comic. Weibliche Actionikonen sind willkommen, aber bitte nicht als Notlösung, weil den Produzenten kein neues Mannsbild mehr einfällt. Dann lieber noch mal ein Daniel Craig. Als Wiedergänger. Oder ein Sean-Connery-Avatar nach ABBA-Muster? Gerade Bond-Fans wissen ja: Man soll nie nie sagen.

Bis zum nächsten Mal

Euer Meck

Unser Kolumnist

Michael Eckert, genannt meck, wurde in den wilden Fünfzigern geboren und in den noch wilderen Sechzigern sozialisiert. Seit den nicht mehr ganz so wilden Achtzigern betätigt er sich als Filmjournalist, war über lange Jahre Redakteur bei den Zeitschriften Cinema, TV Spielfilm und TV Movie. Derzeit betreut er die Redaktion des in Oldenburg erscheinenden Magazin CHAPEAU. Was er im aktuellen Kino vermisst: richtig gute Komödien mit Gespür für perfektes Timing – für ihn die Königsdisziplin des Filmemachens.